Ethikrat: Endlich haben Politik und Wissenschaft zueinander gefunden.

Ein erster Schritt ist gemacht! Das reicht aber noch nicht.

Pandemiemanagement ist mit seinen komplexen Anforderungen einfach zu schwierig. Krisenmanagement in einer Pandemie solchen Ausmaßes erfordert zielgenaue Maßnahmen auf zuverlässiger Fakten- und Methodenbasis. Die Maßnahmen müssten rasch und konsequent umgesetzt und den Bürgern verständlich erläutert werden.

Das Gegenteil erleben die Bürger noch immer jeden Tag. Politiker bemühen sich mit viel Energie um einen Ausgleich der Interessen. Der Wille ist höchst anerkennenswert, die Ergebnisse müssen aber noch deutlich besser werden.

Ein paar Fakten vorweg:

Täglich wird die Zahl der positiv Getesteten mitgeteilt. Eine Melderate ist kein Inzidenz-Wert. Da sich die Melderate im Wochenrhythmus ändert, behilft man sich mit einem 7-Tages-Mittelwert. Bis dieser Wert einen selbst exponentiellen Anstieg zuverlässig anzeigt, vergeht einfach zu viel Zeit. Wir warten nunmehr seit 2 Jahren auf das angekündigte Meldesystem DEMIS. Ein Jammer!

Die Belastung des Gesundheitssystems erkennt man u.a. an der Belastung der Intensivbetten. Also hatte man sich entschlossen, mit der Rate von Neuzugängen auf Intensivstationen zu steuern. Als Interventionsgrenzen gelten: 3, 6 oder 9 Neupatienten pro Woche pro 100.000 Einwohner. Davon sollten dann Maßnahmen zur Kontaktbegrenzung abhängig sein, denn sie können Neuinfektionen reduzieren. Allerdings ist der Zeitabstand zwischen Infektion und Intensivpflichtigkeit zu lang, um so zuverlässig steuern zu können.

Klar ist aber: Vor der Einführung beschränkender Maßnahmen entscheiden Parlamente und gewählte Politiker. Diese Rechte, Pflichten und die damit verbundene Verantwortung sind ihnen in unserer Demokratie zugewiesen. Wegen der Tragweite der Entscheidungen und der Komplexität des zu beurteilenden Sachverhaltes sollten sie zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen breite Unterstützung aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft einholen. Siet kurzem gibt es einen ersten Ansatz für ein solches Gremium: den Ethikrat. Das reicht aber nicht aus. Richtig wäre eine Nationale Pandemie-Taskforce.

Der Nationale Pandemieplan fordert mit seinem Ziel Nr. 4 eine zuverlässige Kommunikation. Das ist bisher unzureichend umgesetzt. Als logische Folge werden zahlreiche Verlautbarungen, Positionspapiere und Stellungnahmen publiziert. Das ist einer einerseits wegen der Meinungsvielfalt gut so, fördert aber andererseits die Verwirrung in Politik und Öffentlichkeit. So sucht sich schließlich jeder die Argumente heraus, die seinen Ansichten am nächsten kommen. Ein gefundenes Fressen für Talkshows, Mythenbildner und Verschwörungstheoretiker. Das hilft aber nicht weiter.

Um dies zu vermeiden, wurde im Buch „Strategiewechsel jetzt!“ die Einrichtung von KOmmunikations-Management in einer

Nationalen Pandemie-Taskforce

vorgeschlagen (Kapitel 7.4 „Pandemien: Testfall für salu.TOP“). Dieser Vorschlag ist aktueller denn je.

Wissenschaftliche Politikberatung hat in Deutschland noch nicht den Stellenwert, den sie verdient. Andererseits muss man zugeben, dass auch „die Wissenschaft“ nicht gut auf eine solche Aufgabe vorbereitet ist.

Deshalb sollte das Parlament und die verantwortlichen Politiker dringend und ernsthaft erwägen, die gesetzlichen Grund­lagen für eine Nationale Pandemie-Taskforce zu schaffen. Zwar gibt es Lösungsansätze im Bund und in den Ländern für die Bewältigung solcher Aufgaben. Sie haben aber weder die Autorität und Eigenständigkeit, noch den organisatorischen Rahmen oder die operative Schlagkraft, die für eine solche Krise erforderlich wären.

Noch ein Wort zu der oft angeführten Begründung für suboptimal Entwicklungen: Das ist alles neu!  und  Wir müssen alle lernen.

Das ist nicht richtig. Nicht alles ist neu!

  • Neu sind das Virus und seine Eigenschaften.
  • Bekannt sind die Methoden, wie man mit solchen Situationen umgeht.

Seit fast 20 Jahren finden einschlägige Übungen zur Bewältigung unterschiedlicher Pandemien statt. Es gibt mehrere inhaltsreiche Berichte an den Bundestag und – last but not least – einen Nationalen Pandemieplan zusammen mit Erläuterungen und wissenschaftlichen Begründungen. Eine wahre Fundgrube. Man müsste die Vorschläge nur konsequent anwenden.

Das Robert-Koch-Institut hat den Nationalen Pandemieplan sogar im März 2020 überarbeitet. Wichtige Hinweise wurden allerdings immer noch nicht umgesetzt. Klare Verantwortlichkeiten beschreibt eigentlich die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Koordinierung des Infektionsschutzes in epidemisch bedeutsamen Fällen (Verwaltungsvorschrift-IfSG-Koordinierung – IfSGKoordinierungs-VwV). Sie wurde bereits am 12. Dezember 2013 von Minister Bahr und Bundeskanzlerin Merkel unterschrieben.

Zusammenfassend:

Die Corona-Pandemie beeinflusst nahezu alle Bereiche unseres Zusammenlebens. Genauso greifen politisch veranlasste Interventionen tief in alle gesellschaftlichen Abläufe ein. Zu allem Übermaß beeinflussen sich die Interventionen auch noch gegenseitig. Dies macht es Politikern insgesamt unmöglich, alle Wirkungen und Nebenwirkungen ihrer Maßnahmen vorherzusehen.

Dies ist kein Politikversagen,
sondern eine unveränderbare Eigenschaft komplexer Systeme!

Für eine tiefgreifende Analyse fehlen Politikern in der Regel nicht nur Kompetenz und Zeit, eine solche Analyse ist auch gar nicht ihre Aufgabe. Dies kann nur eine multiprofessionelle Gruppe erfahrener Fachleute leisten.

„Die Politik“ sollte für ihre weitreichenden Entscheidungen eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Vorbereitung durch eine fest etablierte

Nationale Pandemie-Taskforce

einrichten. Die gesetzliche Grundlage dafür böte §16 die IfSGKoordinierungs-VwV.